Das rätselhafte Verschwinden der Fasane - Sind Insektizide die Ursache?

Wenn Werner Deitmar sich erinnert, dann schwärmt der Jäger von den einst großen Jagden auf Hase und Fasan (Phasianus colchicus) in seinem Revier in Hohenholte, Kreis Coesfeld. In langen Strecken wurden die erbeuteten Tiere einst aufgereiht. Seit 40 Jahren kennt der heute 64-Jährige das Revier. "100 und mehr Fasanenhähne haben wir in guten Jahren geschossen", sagt Deitmar. Die weiten Felder des Münsterlandes waren ein Dorado für Niederwild. Doch die Zeiten scheinen vorbei zu sein. Nicht einmal 20 Tiere hat er dieses Jahr erlegt. Er versucht es oft gar nicht, um die wenigen Fasane zu schonen. Zu den Treibjagden lädt er kaum noch Jagdfreunde ein. Schwankungen beim Fasanenbestand habe es immer gegeben, aber die seien vor allem durch die Witterung beeinflusst. Aber jetzt rätselt der Jäger, er hat keine Erklärung für das Fasanensterben.

Deitmars Beobachtungen sind symptomatisch für die Niederwildreviere in NRW. Der Landesjagdverband hat seine Mitglieder jetzt in einer Blitzumfrage nach ihren Erfahrungen mit dem aktuellen Fasanenbesatz gefragt, und das Ergebnis ist alarmierend. "Es ist eine Katastrophe", schreibt der Dürener Kreisjagdberater Hans Willi Dahmen. "Fasan stark rückläufig" heißt es aus Viersen. Gleiches hört man vom Hasen, die Meldungen aus Borken, Paderborn, Kleve, Coesfeld, sie klingen alle gleich. In einigen Revieren im Kreis Coesfeld äußerten die Jäger bereits die Befürchtung, "dass der Fasan in unserer Münsterländer Niederwildregion für immer verloren geht". Eine sehr große Anzahl von Treibjagden wurde abgesagt – weil es einfach nichts zum Erlegen gibt. Fasan und Hase sind auf dem Rückzug, aber warum?

Schießen die Jäger trotz niedriger Wildzahlen zu viele Tiere? "Nein", sagt ausgerechnet Josef Tumbrinck, Vorsitzender des Naturschutzbundes NRW. "Ich würde ja vor zu hohen Abschüssen warnen, aber die Jäger haben schon selbst erkannt, dass es an der Zeit ist, weniger dieser Tiere zu jagen", sagt Tumbrinck. Diese Diskussion ist bei den Jägern bereits entbrannt. So schreibt etwa Franz-Josef Schulze Thier, Landwirt und Vorsitzender der Kreisjägerschaft Coesfeld, in einer Jagdzeitung: "In vielen Revieren ist man sich einig – und dafür plädiere ich auch –, ganz auf die Bejagung des Fasans zu verzichten." Es sei denn, die Tiere würden für die Erforschung der Ursachen zur Verfügung gestellt. "Wo kaum Wild ist, sollte man auch nicht jagen", heißt es von der Kreisjägerschaft im Rheinkreis Neuss. So denken viele Jäger.
Der Präsident des Landesjagdverbandes, Ralph Müller-Schallenberg, warnt davor, einer Seite die Schuld an der Niederwildmisere zu geben, und fordert eine wissenschaftliche Untersuchung des Artensterbens. Er fordert die Landesregierung auf, die Fallenjagd auf Marder und Co., also die natürlichen Feinde vieler Feldtiere, nicht immer weiter einzuschränken.

Wildbiologen stehen beim Fasanensterben vor einem Rätsel. So konnten weder Chemikalien noch natürliche Feinde als eindeutige Ursache ausgemacht werden. "Alle Fachleute tappen im Dunkeln", sagt Thomas Gehle, Referent für Niederwild bei der landeseigenen Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung in Bonn. Allerdings konnte gezeigt werden, dass die Rückgänge in optimalen Lebensräumen deutlich langsamer und gedämpfter ablaufen. Optimal, das sind aus Fasanensicht vor allem Flächen, auf denen es zur Brutzeit Deckung vor Feinden gibt, Hecken und weniger intensiv genutzte Äcker und Wiesen.

So sieht das auch Jäger Werner Deitmar. Als es mehr Hecken, Brachflächen und ähnliches gab, sei sein Revier reich an Wild gewesen. Besonders in der Zeit, als der Staat Geld für die Teil-Stilllegung von Äckern zahlte, sei der Bestand an Fasanen besonders hoch gewesen. Doch heute werde jede Ecke und jeder Streifen Ackerland intensiv genutzt, etwa für Maisanbau, Grünroggen und Produkte für die Gewinnung von Biogas. Verständnis hat der Jäger für die Landwirte und deren wirtschaftlichen Druck, tragisch sei das Verschwinden des Niederwildes trotzdem

Fieberhaft wird von vielen Seiten nach der Ursache des Fasanen- und Hasensterbens gesucht. Naturschützer Tumbrinck sieht die Schuld bei den Landwirten. "Die Zahl der Insekten sinkt durch den Einsatz von Chemikalien, dadurch fehlt den Fasanen die Nahrung", sagt Tumbrinck und ergänzt: "Eine einzige Lösung aber gibt es sicher nicht – es gibt mehrere Möglichkeiten."

Auch Rolf Eversheim, Geschäftsführer der Jägerstiftung "Natur und Mensch", gibt den Insektiziden eine Mitschuld am Rückgang der Fasane. "Die chemische Industrie, die solche Mittel herstellt, sollte sich an der Ursachenforschung finanziell beteiligen. Das macht sie aber seit Jahren nicht mehr, ein seltsames Zeichen", sagt Eversheim. Er hat aber noch andere Vorschläge. "Jäger sollten in ihren Revieren Rabenvögel und Marder intensiver bejagen", sagt Evers-heim. Während Hase und Fasan rückläufig seien, würde die Population dieser Tiere stetig steigen. "Außerdem schlagen wir vor, verstärkt Grasstreifen am Rand von Feldern stehen zu lassen."

Quelle: RP Online, 22.12.2013
http://www.rp-online.de/nrw/das-raetselhafte-verschwinden-der-fasane-ai…